Heute beginnt unsere zweite gemeinsame Rad- und Campingtour. Nach der Tour Berlin-Hamburg im letzten Jahr soll es jetzt zur Weser gehen. Das heißt erst mal auf dem Vulkanradweg über den Vogelsberg zur Fulda, fuldaabwärts bis Hannoversch-Münden und weiter die Weser hinab Richtung Bremerhaven. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir acht bis neun Tage auf dem Sattel eingeplant. Wenn wir so weit nicht kommen, folgt der Rest irgendwann.
1. Tag, Montag, 23.05.2022, nach Lauterbach Morgens vor der Abreise gab es ein wenig Regen, nach dem Start gegen 11:00 Uhr wurde es zunehmend sonnig. Zuerst die ordentliche Steigung auf der Straße von Nieder-Mockstadt Richtung Stockheim (ca. 130 Höhenmeter), auf der anderen Seite wieder hinunter, durchs Feld nach Effolderbach abgebogen und in Ortenberg-Selters auf den Vulkanradweg. 440 Meter Höhenunterschied bis Hartmannshain, dort Radler und Apfelsaftschorle im Biergarten des "Tor zum Vogelsberg" als Belohnung für die Mühe. Bis dahin waren es 48 km. Damit war der geografische Höhepunkt der gesamten Reise bezwungen. Der zweite Teil bis Lauterbach geht dann eher locker. Erst wunderbares Gefälle und dann locker rollen von leicht auf- bis leicht abwärts. Zum Schluss gibt es noch eine Strecke mit ordentlich Gefälle und vielen Kurven im Wald nach Lauterbach hinein. Ziel war die Jugendherberge, die außerhalb der Stadt am Waldrand liegt und über eine sehr deutliche Steigungsstrecke auf der Bundesstraße zu erreichen ist. Zunächst wollten wir noch vorher in der Stadt was essen, aber am Horizont brauten sich dunkle Wolken zusammen, so dass wir gleich zur Herberge gestrampelt sind. Wir haben's geschafft und sind die einzigen "alten Leute" neben vielen Kindern und ein paar Lehrkräften. War echt Leben in der Bude! Für das Abendessen hat ein Pizza-Lieferservice gesorgt. Anstrengungsbedingt war frühe Nachtruhe angesagt, noch ehe die Kids in den Fluren zur Ruhe gekommen sind. Strecke: 82 km Fahrzeit: 5:20 h km-Ø: 15,4 km/h
Tag 2, Dienstag, 24,05.2022, nach Malsfeld Zum Frühstück mussten wir warten, bis die Schulklassen abgefüttert waren. So haben wir uns um ca. 10:15 Uhr in die Sättel geschwungen. Ein eher schlechter Schotterweg von der JH ins Tal Richtung Schlitz ist wohl die einzige Alternative zur Bundesstraße. So mussten wir nicht noch einmal nach Lauterbach hinein fahren. Nach Schlitz führt der R 7a, ein sehr schöner Weg, der zeitweise auf einer ehemaligen Bahnstrecke verläuft. Nach wenigen km an der Fulda zogen im Westen Regenwolken auf und wir haben unterm Dach eines Sportheims abgewartet. Kam aber nix als ein paar Tropfen. Der Rest der Tagesstrecke verlief erstaunlich gut fast ohne Regentropfen. Den Fuldaradweg fahre ich jetzt zum dritten und Rainer zum ersten Mal. Uns beiden hat er landschaftlich gut gefallen bis auf ein paar Strecken durch Gewerbegebiete. Kurz vor Bad Hersfeld gab es 20 Minuten Regenpause unter einer Brücke und zum Schluss, keine 500 Meter vom Campingplatz entfernt, noch einen heftigen Regenschauer, den wir unter einem Scheunenvordach verbracht haben. Der Campingplatz in Malsfeld-Beiseförth ist praktisch nicht ausgeschildert. Wir mussten uns durchfragen und haben das einzige Hinweisschild dann schon mit Blick auf den Campingplatz entdeckt. Zum Schluss war die km-Zahl dreistellig. Diese Tagesetappe war eine der längsten dieser Tour. Strecke: 102 km Fahrzeit: 5:48 h km-Ø: 17,5 km/h
Tag 3, Mittwoch, 25.05.2022, nach Hannoversch-Münden Der zweite Tag an der Fulda. Frühstück gab es in Melsungen (vorher, vor dem Zelt, einen Kaffee vom Spirituskocher). Den ganzen Tag war schönes, meist sonniges Wetter. Der Wind hat sich ständig gedreht (von vorn lästig, von der Seite "neutral" und von hinten seeehr angenehm). Südlich von Guxhagen macht die Fulda eine Schleife, sozusagen eine 180°-Wende nach Süden und ebenso wieder retour. Das ist ein besonders schönes Stück Fluss! Am Nordende der Schleife liegt Breitenau, das mit seinem Kloster eine wechselvolle Geschichte hat: Benediktinerabtei, „Besserungsanstalt“, KZ, Psychiatrisches Krankenhaus. Wir haben die Anlage von der Fuldabrücke aus betrachtet. Am Ziel Hannoversch-Münden wartete der Campingplatz auf dem Tanzwerder, einer Insel im Zusammenfluss von Fulda und Werra. Dort stand in 100 m Entfernung eine Musikbühne, von der aus bis nach 24 Uhr Musik wummerte. Die Uhrzeit, wann die Musik zu Ende war, wurde uns am nächsten Tag berichtet. Wir waren beide vorher entschlummert. Übrigens waren auf dem Platz überwiegend Paddler und ein paar Radfahrer und so tatsächlich auch einige Zelte. Rainers altes Igluzelt fällt neben den Hightech-Zelten ziemlich aus dem Rahmen, aber das passt ja zu uns alten Knackern. Strecke: 75 km Fahrzeit: 4:15 h km-Ø: 17,7 km/h
Tag 4: Himmelfahrtstag,Donnerstag, 26.05.2022,nach Höxter Morgens Frühstück in Hannoversch-Münden vor einer Bäckerei direkt neben der Kirche St. Blasius. Danach Start um 10:30 Uhr nach einem Abstecher zum Weserstein auf der gleichen Insel am Zusammenfluss der beiden Flüsse. Auf dem Stein steht ein deutschtümelnder Spruch: "Wo Werra sich und Fulda küssen, Sie ihre Namen büßen müssen, und hier entsteht durch diesen Kuss, Deutsch bis zum Meer der Weser Fluss.“ Heute war der Himmel den ganzen Tag weit gehend grau bedeckt, Es gab so gut wie keine Sonne (außer beim Zeltabbau), aber fast den ganzen Tag Gegenwind, der vor Bad Karlshafen ziemlich heftig und nervig wurde. Am Mittag Zwischenstopp am Kloster Bursfelde und dort die halbe Kirche besichtigt. In der anderen Hälfte war gerade ein Gottesdienst und wir konnten leider nicht mehr hinein. In Bad Karlshafen gab's Kuchen und Kakao zur Nachmittagspause. Zwischen Bad Karlshafen und Höxter blies uns ein fieser Gegenwind ins Gesicht – war echt Schwerarbeit. Dafür war unser Durchschnittstempo ganz gut. Wesercamping Höxter war unser Ziel für heute – direkt an der Weser gelegen, am gegenübergelegenen Ufer zur Innenstadt. Die kleine Zeltwiese haben wir uns mit wenigen anderen Zelter*innen geteilt. Eine junge Frau, die zum ersten Mal mit Mountainbike auf Campingtour war, logierte neben uns in einem der neueren. sehr kompakten (sowohl aufgebaut als auch im Packmaß) Zelt. Einmal haben wir sie am nächsten Tag wieder getroffen Italienisches Abendessen gab‘s in der Stadt. Der Fußweg in die Stadt und zurück war für meinen Rücken eine Tortur. Strecke: 71 km Fahrzeit: 4:04 h km-Ø: 17,4 km/h
Tag 5, Freitag, 27.05.2022, nach Hameln Es gab ein sehr gutes Frühstück auf dem Campingplatz. Gestartet sind wir um 10:15 Uhr. Unser heutiges Ziel war Rinteln in ca. 90 km Entfernung. Schon gestern hatten wir konstatiert: Wenn der Gegenwind so weiter bläst, fahren wir nur bis Hameln. Und geblasen hat er! Zuerst war er noch wechselhaft und kam dann nur noch von vorn und das mit zunehmender Intensität. Kurz vor Hameln sind wir am Atomkraftwerk Grohnde vorbei gefahren, das Anfang diesen Jahres vom Netz gegangen ist. Das wurde nach Presseberichten kräftig gefeiert. So waren die 67 km bis Hameln sauer verdient und der Campingplatz Hameln an der Weser am westlichen Weserufer das "natürliche" Ziel. Von dort sind wir nach dem Zeltaufbau mit den Fahrrädern in die Altstadt gefahren, haben uns dort ein wenig umgesehen und gegessen. Am Abend bläst der Wind immer noch kräftig. Der Campingplatz ist durchaus sehenswert – vor Allem die Sanitärräume. Ein verspieltes "Freistil-Ikebana" mit viel Holz, eigenwilligen Keramikelementen u. v. m. Strecke: 67 km Fahrzeit: 4:25 h km-Ø: 16,5 km/h
Tag 6, Samstag, 28.05.2022, nach Hause Schluss für diesmal! Seit 2½ Tagen quälen mich heftige und zunehmende Rückenbeschwerden. Rad fahren geht ganz gut, gehen und nachts im Schlafsack umdrehen sind eine Tortur. Außerdem bläst der Wind eher noch stärker als gestern und es ist kalt. So ist nicht damit zu rechnen, dass es mir in den kommenden Tagen besser geht. Also Frühstück im „Backwerk“ in Hameln – nicht überzeugend, gemütliches Frühstück stell ich mir anders vor – und dann Zugreise mit drei Mal Umsteigen nach Hause. Auf der Heimreise hat es immer wieder geregnet, so dass wir den Abbruch noch weniger bedauert haben. Die Fortführung der Tour im zweiten Anlauf – vielleicht schon in vier Wochen –ist beschlossene Sache! Die Zugfahrt hat insgesamt gut geklappt, außer am Beginn und am Ende. Im Reisezentrum in Hameln hat uns der Bahnmitarbeiter zum falschen Gleis geschickt und uns damit eine Stunde Wartezeit „beschert“. In Gießen hat sich die Weiterfahrt verzögert, so dass wir in Friedberg unseren Zug gerade noch haben abfahren sehen. So kam noch eine kleine Radtour nach Hause dazu, bei der wir zur Hälfte Rückenwind hatten. Mit der Fahrt zum Bahnhof in Hameln und der Fahrt nach Reichelsheim sind noch mal 15 km dazu gekommen – für Rainer 5 km mehr bis Echzell. Insgesamt: Es war wieder eine schöne Tour und die Fortsetzung lockt!
einen Monat "Pause"
Tag 7, Dienstag, 28.06.2022, nach Vlotho Genau einen Monat nach der ersten Etappe sind wir wieder auf Tour. Mit dem Zug nach Hameln, um vom Endpunkt der ersten Etappe wieder zu starten. Bremerhaven ist auch diesmal das Ziel und wir sind „wild entschlossen“, es jetzt zu schaffen. Vom Bahnhof in Hameln waren es wenige Minuten bis zum Radweg an der Weser und die Wiedersehensfreude war groß. Die Weser hat uns wieder! Hessisch Oldendorf haben wir auf dem Radweg umfahren; so werden wir nicht erfahren, was an Oldendorf hessisch ist – hätte uns als Hessen natürlich interessiert! Laut Wikipedia gehörte der Ort zur preußischen Provinz Hessen-Nassau. Vorbei am Erholungsgebiet Doktorsee – da hätten wir nach der ersten Routenplanung übernachtet. So sind wir dann auf dem Campingplatz „Campingparadies Sonnenwiese“ am Rand von Vlotho gelandet. Dort sind 2 Campingplätze direkt nebeneinander – östlich die „Sonnenwiese“, westlich das „Camp Feuerland“. Es gibt ein Campingplatzrestaurant, wo wir abends nach der Ankunft und dem Zeltaufbau ein gutes Abendessen genossen haben. Direkt neben uns ein junges Paar mit PKW, einem großen Zelt und einem zweiten Zelt im VW-Bus-Design für Gepäck – war schon außergewöhnlich, waren aber zwei ganz Nette. Die heutige Tour ging fast komplett nach Westen, ab morgen geht’s weiter Richtung Norden.
Statistik: Strecke: 60 km, davon 12 in der Wetterau zum Bahnhof Fahrzeit 3:30Std. Schnitt 17 km/h
Tag 8, 29.06.2022, nach Drakenburg Gefrühstückt haben wir nach wenigen Kilometern im Edeka-Markt in Vlotho-Uffeln. Später sind wir am Campingpark Großer Weserbogen vorbei gefahren, wo ich vor zwei Jahren gelandet bin und der „fast geschlossen“ war. Wir haben nicht geprüft ob das heute anders ist. In Minden haben wir uns das „Wasserstraßenkreuz Minden“, die Kreuzung des Mittellandkanals mit der Weser, näher angeschaut. Der Mittellandkanal überquert die Weser mit einem „Brückentrog“. In Buchholz Rast gemacht. Zuerst an der ev. Kirche gehalten (habe ich bei der Hamburgtour 2020 schon mal, aber da war die Kirche zu) und sie besichtigt – sie war offen und ein kundiger Mensch hat uns einiges zum Gebäude und seiner Geschichte erzählt. Anschließend im Café Weserscheune gegessen und getrunken. Ein sehr einladendes Etablissement, freundliche Bedienung, gute Lage und leckeres Essensangebot! Ziel am Nachmittag war der Campingplatz Drakenburg, ein Platz des Wassersport Weser-Vereins. Hier war ich 2020 schon einmal. Es funktioniert alles „auf Treu und Glauben“. Es gibt Sanitäreinrichtungen – älter und einfach, aber sauber und funktional – und das Bezahlen geht per Briefkasten und ohne Kontrolle. Die Zeltwiese ist direkt am Weserufer und extrem ruhig, weil die Weserschleife für die Schifffahrt per Schleusenkanal „abgeschnitten“ wird. Statistik: Strecke: 94 km Fahrzeit: 5:00 Std. Schnitt: 18,8 kmh
Tag 9, 29.06.2022, nach Bremen Zuerst haben wir morgens eine Rundfahrt durch Drakenburg gemacht - vor allem das Rittergut ist sehenswert. Ich bin nicht mehr sicher wo wir gefrühstückt haben – vielleicht in Hoya, da haben wir jedenfalls Bargeld geholt. Die Route ging zunächst nach Norden und dann, auf der Höhe von Verden an der Aller, Richtung Westnordwest. Durch Bremen haben wir uns viele km, erst auf Radwegen in Randbezirken und dann durch die Stadt nach Norden zum Campingplatz nahe der Universität geschafft. Gegen Ende sind wir in einer „Kiezkneipe“ eingekehrt, um das Flüssigkeitsdefizit auszugleichen und waren sofort im Gespräch mit den Stammgästen und der Wirtin. Der Campingplatz Hanse Camping Bremen liegt am Stadtwaldsee und ist richtig gut ausgestattet (auch nicht so ganz billig). Das Restaurant bietet gutes Essen. Statistik: Strecke: 81 km Fahrzeit: 4:36 h Schnitt:17,6 kmh
Tag 10, 30.06.2022, nach Nordenham Vom Stadtwaldsee sind wir viele km auf Radwegen durch Bremen gefahren. Frühstück gab es in einem Supermarkt und die weitere Route ging entlang der Lesum bis zur Fähre Vegesack-Lemwerder. Am Rand von Lemwerder steht ein sehenswerter Leuchtturm. In Warfleth ist die Schifferkirche einen Stopp wert. Sie ist geöffnet und man erfährt Interessantes zum Gebäude und zur Geschichte. Ziel für heute ist Nordenham – südwestlich gegenüber von Bremerhaven. Ab Lemwerder geht die Route am westlichen Weserufer entlang und in Nordenham liegt der Campingplatz am Radweg. Da gibt es ein Bistro, aber kein abendliches Essen. Das haben wir im ESV-Clubhaus bekommen – jenseits der Bahnlinie auf kurzem Weg. Dort gibt es auch einen Harley-Stammtisch und die Mitglieder waren an diesem Abend mit ihren Maschinen und zum Teil auch per Fahrrad angereist. Statistik: Strecke: 75 km Fahrzeit: 4:15 h Schnitt: 17,66 kmh
Tag 11, 01.07.2022, Heimfahrt Morgens nach Zeltabbau und Packen Start nach Bremerhaven zum Bahnhof – ohne Frühstück, weil es das auf dem Campingplatz nicht gab. Die Route ging nach Nordenham-Blexen zur Fähre und von dort nach Bremerhaven. Die Fahrradwege waren einigermaßen gut beschildert aber zwischendurch hatten wir die Orientierung verloren. Plötzlich wurde uns bewusst, dass die Sonne auf unsere linken Schultern schien. Das kann aber nicht sein wenn man morgens nach Norden fahren will. Also schnell gewendet und mit Dauerspurt zur Fähre, die wir gerade rechtzeitig erreicht haben. In Bremerhaven dann endlich gefrühstückt vor einer Bäckerei und anschließend gemütlich zum Bahnhof gefahren für die Heimreise. Die Heimreise mit 9-Euro-Ticket haben wir „in vollen Zügen genossen“! In den Fahrrad-Abteilen konkurrierten Pulks von Kinderwagen mit den vielen Fahrrädern. Die vielen Kinder im Zug haben richtig viel Leben in den Zug gebracht. Mit vielen Umstiegen und der einen oder anderen verpassten Verbindung sind wir schließlich in der Wetterau gelandet und sind dann von Friedberg nach Reichelsheim bzw. Echzell mit dem Rad gefahren. Für mich waren das (Nordenham-Bremerhaven und Friedberg nach Hause) 16 km, für Rainer 5 km mehr.
Es war wieder mal eine schöne gemeinsame Tour und sicher nicht die letzte! Nach den vielen Solotouren im letzten Vierteljahrhundert genieße ich es, die Ausblicke/Einblicke/Landschaften/Begegnungen nicht allein zu erleben, sondern im direkten Austausch über das Erlebte zu sein.